Worst Case für Maschinenbetreiber: Der Haftpflichtschaden an einer Altmaschine
Der bittere Klassiker für zahlreiche produzierende Wirtschaftsunternehmen, die Maschinen im industriellen Umfeld betreiben, ist, wenn eine alte Maschine beschädigt wird. Häufig erfüllte die Maschine noch ihren Zweck im Unternehmen. Ist sie durch Dritte beschädigt, beginnt in den allermeisten Fällen eine Kostenproblematik.
Ein Beispiel zur Problematik
Ein Subunternehmer ist in der Produktion tätig und fährt mit dem LKW und gekippter Mulde gegen den Kopf einer sehr alten Bandanlage. Der Subunternehmer meldet dies seiner Haftpflichtversicherung. Diese prüft die Kosten für die Reparatur bzw. Wiederherstellung und kommt nach Prüfung zu der Erkenntnis, dass der Zeitwert niedriger ist als die Reparaturkosten. Das ist der klassische „Wirtschaftliche Totalschaden“.
Der Betreiber bekommt dann den „Zeitwert Maschine“ ersetzt, kann dafür aber weder die Reparatur bezahlen noch eine neue Maschine anschaffen. Die alte Bandanlage, die ihre Dienste bis zum Schaden erfüllte, ist „Schrott“. Wenn es schlecht für den Betreiber läuft, zieht die Haftpflichtversicherung bei der Regulierung des Zeitwerts auch noch den Restwert / Schrottwert ab.
Im Haftpflichtschaden bei Altmaschinen gilt häufig:
Der Betreiber ist der große Verlierer, obwohl rechtlich alles korrekt abläuft.
Reale Problematik bei Wertermittlungen
Bei der Wertermittlung von Maschinen, industriellen Anlagen sowie Einrichtungen gibt es Regeln, an denen die Wertermittlung orientiert wird. Allerdings kann eine Wertermittlung niemals so exakt sein, wie das Ergebnis einer mathematischen Aufgabenstellung auf Grundlage der physikalischen Gesetze. Das bedeutet:
1 + 1 kann 2 ergeben, aber auch knapp daneben liegen.
Das Ergebnis kann trotzdem zutreffend sein. Dessen muss man sich bei einer Wertermittlung im Bereich Maschinen, industrielle Anlagen und Betriebseinrichtungen bewusst sein. Zwei Bewertungen zum selben Sachverhalt sind nie exakt identisch.
Gibt es jedoch erhebliche Abweichungen, ist Vorsicht geboten.
Um Diskussionen möglichst zu vermeiden, muss eine Wertermittlung daher nachvollziehbar, objektiv und sachlich einwandfrei durchgeführt und vor allem dokumentiert werden, damit ein externer Dritter in die Lage versetzt wird, die Ermittlung der Werte zum Beispiel den „Zeitwert Maschinen“ nachvollziehen zu können.
Wieso Wertermittlungen?
Bewertungen werden für unterschiedliche Zwecke durchgeführt. Sie werden zum Beispiel von produzierenden Wirtschaftsunternehmen benötigt für
- den Abschluss einer Versicherung (Sachversicherung);
- im Schadenfall für den
- Sachversicherer (Feuer/Brand, Maschinenbruch) und/oder
- Haftpflichtversicherer beim Haftpflichtschaden;
- für Banken bei
- Finanzierungen,
- Beleihungen oder zum
- Kauf und Verkauf.
In Gerichtsverfahren wollen die Parteien wissen, um welchen Betrag man streitet. Eine Bank will wissen, welche Kreditsicherheit geboten wird. Ein Unternehmenskäufer will wissen, welcher Preis realistisch ist. Ein Steuerberater braucht Daten für steuer- und bilanzrechtliche Einordnungen. Der Insolvenzverwalter will wissen, welchen Wert die Konkursmasse hat. Weder Käufer noch Verkäufer kennen möglicherweise den realistisch zu zahlenden Preis für eine zu veräußernde Sache.
Beim Verkauf: Der Markt ist wichtig
Im Bereich des Maschinenbaus und Anlagenbaus ist die Branche wichtig. Eine Werkzeugmaschine wird sich im Zweifelsfall immer leichter verkaufen lassen, weil der Markt größer ist als zum Beispiel eine Palettenreinigungsmaschine.
Deswegen wird deutlich, welches Konfliktpotenzial bestehen kann, weil es in der Regel unterschiedliche Interessen aller Beteiligten bei gewissen Wertermittlungen gibt, zum Beispiel
- Verkäufer mit „ihren“ Wertvorstellungen,
- Wertermittlung von Sachverständigen,
- die potenziellen Käufer am Markt.
Erfahrene Sachverständige werden daher bei Ermittlung von Verkehrswerten stets Marktinformationen einholen und diese berücksichtigen. Bei der Ermittlung „Zeitwert Maschine“ werden Neuwerte eingeholt oder Anschaffungsrechnungen geprüft und hochgerechnet.
Beim Schadenfall: Verkehrswert und/oder Zeitwert Maschine?
Beim Schadenfall muss zunächst differenziert werden, um welche Art von Schaden es sich handelt. Liegt ein Brandschaden oder ein Feuerschaden vor, reguliert der Sachversicherer. Das gilt auch für den Fall eines Maschinenbruchschadens. Der Neuwert wird ersetzt. In einigen Fällen (40 %-Regel) wird auch nur der „Zeitwert Maschine“ durch den Sachversicherer ersetzt.
Kann festgestellt werden, dass zum Beispiel eine dritte Partei für den Schaden (z. B. Brandschaden) verantwortlich ist, wird der Sachversicherer dessen Haftpflichtversicherung in Regress nehmen. Dann wird die Haftpflichtversicherung des Verursachers den Zeitwert der beschädigten Maschinen, Anlagen und Betriebseinrichtungen tragen.
Beim Haftpflichtschaden wird der Zeitwert ersetzt.
Der „Zeitwert Maschine“ ist eine besonders wichtige Größe bei den unterschiedlichen Schadenfällen.
Ermittlung "Zeitwert Maschine"
Laut Definition ist der
Zeitwert der Wert der Maschine oder Anlage unter Berücksichtigung von Alter, Betriebszustand, insbesondere Abnutzung und Instandhaltung, Wartung, Einsatz sowie der durchschnittlichen technischen Lebens- und Nutzungsdauer.
Es existieren mehrere Methoden, den Zeitwert zu ermitteln. Sofern der Anschaffungswert oder der Neuwert bekannt sind, bieten sich drei Methoden an, die Abwertung zu ermitteln.
Zeitwertfaktor (ZWF)
Bei der geometrisch-degressiven Abwertung wird eine unterschiedliche Wertminderung während der Nutzungsdauer des Bewertungsobjektes zugrunde gelegt. In den ersten Jahren der Nutzungsdauer ergeben sich hohe Abwertungen.
Bei der linearen Abwertung ist der Abwertungssatz gleich dem Abwertungsteilbetrag; beides ist konstant. Jedes Jahr wird um den gleichen Betrag abgewertet, bis am Ende der Nutzungsdauer der Restwert erreicht wird.
Bei dieser Form der Abwertung der arithmetisch-degressiven Abwertung wird am Anfang der Nutzungsdauer stärker abgewertet als nach der linearen Abwertung aber nicht so stark, wie nach der geometrisch-degressiven Abwertung. Diese Methode bildet die Realität für die meisten Maschinen, Anlagen und betrieblichen Einrichtungen am besten ab und wird besonders häufig für die Ermittlung „Zeitwert Maschine“ verwendet.
Gebrauchwertfaktor (GBF)
Ein oder auch mehrere Ortstermine sind für die Feststellung zum „Zeitwert Maschine“ notwendig.
Der Zeitwert einer Maschine wird neben dem Zeitwertfaktor (ZWF) auch durch den Gebrauchtwertfaktor (GBF) bestimmt. Bei den Untersuchungen vor Ort fließen gewonnene Erkenntnisse über Anlagenumfang (Zubehör), Zustand, Überholungen, durchgeführte Reparaturen und Arbeitsqualität in diesen Faktor mit ein.
Deshalb ist ihre Einordnung in ein Bewertungsschema notwendig, welches wegen der Verschiedenheit der Objekte nicht einheitlich sein kann, sondern in Abhängigkeit von ihrer Art und den an sie gestellten Anforderungen bezüglich der genannten Faktoren angepasst werden muss.
Einige klassische Fragestellungen sind:
- Ist die Maschine im eingefahrenen Zustand?
- Erfüllt die Maschine die gestellten Anforderungen?
- Ist die Maschine nur noch für bestimmte Arbeiten einsetzbar?
- Gab es Reparaturen und Wartungen?
Neuwert oder Anschaffungswert?
Der „Zeitwert Maschine“ wird aus dem Neuwert, dem Gebrauchtwertfaktor und dem Zeitwertfaktor bestimmt. Alternativ wird er bestimmt aus dem Anschaffungswert, der Preissteigerung, dem Zeitwertfaktor sowie dem Gebrauchtwertfaktor.
Wenn der Neuwert bekannt ist oder noch ermittelt werden kann, wird der Neuwert für die Abwertung verwendet.
Der Neuwert ist der am Bewertungsstichtag gültige Marktpreis des ungebrauchten Gutes einschließlich aller Kosten, die zur Herstellung der Betriebsbereitschaft dienen.
Ist der Neuwert hingegen unbekannt, häufig bei alten Maschinen, wird versucht, den Anschaffungswert zu ermitteln.
Der Anschaffungswert umfasst die Kosten, die zur Zeit der Anschaffung der Maschine oder Anlage aufgewendet werden mussten, um die Maschine oder Anlage zu erwerben.
Der „Zeitwert Maschine“ wird zum Bewertungsstichtag wie folgt aus dem Neuwert ermittelt:
Der „Zeitwert Maschine“ wird zum Bewertungsstichtag wie folgt aus dem Anschaffungswert ermittelt:
Preissteigerung
Der Faktor I ist der Index der Preissteigerungen seit der Anschaffung bis zum Bewertungsstichtag. Die Daten sind zum Beispiel beim Statistischen Bundesamt verfügbar.
Wenn eine Maschine im Jahr 2000 angeschafft wurde und die Anschaffungskosten im Juni 2000 netto 100.000,00 DM betrugen, so kann man auf einen Bewertungsstichtag im Januar 2022 wie folgt hochrechnen:
- Index im Juni 2000 =79,6;
- Index im Januar 2022 = 113,2.
- Daraus folgt die Preissteigerung I=113,2/79,6 =1,4221.
Man kann also fiktiv auf den Januar 2022 hochrechen und die Umrechnung von DM in € berücksichtigen:
Zn = 100.000 /1,95583 € * 1,4221= 72.711,00 €
Der Neuwert, fiktiv aus dem bekannten Anschaffungswert aus dem Juni 2000 ermittelt, beträgt dann für den Januar 2022 ca. 72.711,00 €.
"Zeitwert Maschine"
Im obigen Bespiel wird der fiktive Neuwert oder falls ermittelbar der Neuwert zum Schadenzeitpunkt mit dem Zeitwertfaktor (ZWF) sowie dem Gebrauchwertfaktor (GBF) multipliziert. Es resultiert daraus der Zeitwert zum Bewertungsstichtag, im Haftpflichtschaden, gleich dem Tag des Schadeneintritts.
Fazit
Viele Faktoren beeinflussen den „Zeitwert Maschine“. Der ermittelte Zeitwert ist umso genauer, je gewissenhafter bei der Ermittlung vorgegangen wird.
Insbesondere bei Schäden an Altmaschinen kann die Ermittlung des Zeitwerts ein Problem in der Realität darstellen, weil der maximal der Zeitwert im Haftpflichtschaden reguliert wird und auch noch ein etwaiger Restwert zum Abzug kommt.
Der geschädigte Betreiber einer bis zum Schadeneintritt funktionierenden alten Maschine („Altmaschine“) ist in fast allen Fällen der Verlierer eines rechtlich völlig korrekten Prozesses. Er bekommt lediglich den Zeitwert abzüglich Restwert ersetzt, wenn die Reparaturkosten höher liegen. Das charakterisiert den wirtschaftlichen Totalschaden. Damit kann nicht repariert werden. Für die Neuanschaffung muss der Betreiber investieren, was nicht immer möglich ist. In fast allen solcher Fälle gibt es ein Problem, die Aufträge zu erledigen, für welche die durch Dritte beschädigte Maschine genutzt wurde.
Empfehlung:
Die Zeitwertermittlung und generell die Wertermittlung bei Maschinen, Anlagen und Betriebseinrichtungen sollte durch erfahrene Sachverständige durchgeführt werden. Liegen große Abweichungen zwischen ein und derselben Bewertung vor, sollte kritisch hinterfragt werden.